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Edition Ornament

Gunnar Decker. Venedig für Skeptiker

 
 

"Santa Maria"
Radierung von Dieter Goltzsche

Gunnar Decker
Venedig für Skeptiker. Seitenblicke

Hrsg., gestaltet und mit einem Nachwort
versehen von Jens-Fietje Dwars
Mit acht Zeichnungen von
Dieter Goltzsche
168 Seiten, Engl. Broschur
mit handmont. Etikett in Prägung,
lagunefarbenes Vor- und Nachsatz
papier,
schwarzer Lesefaden,
500 num. Expl.

50 Vorzugsexemplaren liegt je eine
signierte Radierung "Santa Maria"
von Dieter Goltzsche bei,
die Dieter Béla auf Hahnemühlen-Bütten
gedruckt hat..

Nur noch 9 VA lieferbar!

ISBN 978-3-943768-72-5

Vorzugsausgabe Nr. 1-50: EUR 59,90 EUR
Normalausgabe Nr. 51-500: EUR 16,90 EUR

Zu bestellen beim Herausgeber.

Drei der acht Zeichnungen von Dieter Goltzsche.

Dies ist kein Reiseführer, keine Aufzählung der „Sehenswürdigkeiten“, die man im Eiltempo absolviert haben muss, um mitzureden. Hier lädt jemand, der seit zehn Jahren jeden Sommer in Venedig verbringt, dazu ein, mit ihm durch die Lagunenstadt zu flanieren, sich überraschen zu lassen, innezuhalten, einen Augenblick lang unser rast- und zielloses Woher & Wohin in Frage zu stellen. Nicht mit bleischwerer Gedankenlast, vielmehr heiter ironisch, mit Witz und ein wenig Melancholie. Dafür ist diese surreale Stadt, die seit Jahrhunderten ihren Untergang zelebriert und dabei von Tag zu Tag jünger erscheint, der beste Ort ...

Gunnar Decker hat zahlreiche Biografien über Fühmann, Trakl, Benn u.a. geschrieben, wurde 2016 mit dem Heinrich-Mann-Preis für Essayistik ausgezeichnet und hat von Nietzsche das „zufällige“ Sehen gelernt, das aus den Augenwinkeln heraus noch das Unscheinbarste wahrnimmt, um im Beiläufigen Wesentliches zu erkennen.
Dieter Goltzsche begleitet die Notate mit spielerisch leichten Federzeichnungen.

   


Aus dem Nachwort

Wohl keine Stadt der Welt wurde und wird noch immer so oft besungen, oder nüchterner gesprochen: zwischen zwei Buchdeckel gepresst, wie diese: Venedig – schon der Name klingt wie Musik, die Erinnerungen an oft gesehne Bilder weckt, selbst bei denen, die noch nie einen Fuß auf das schwankende Festland des einstigen Inselstaates gesetzt haben. Paris gilt als „Stadt der Liebe“, doch die klassisch „romantische“ Hochzeitsreise führt in die Lagunenstadt und nicht an die Seine. Vielleicht, weil die Ehe der fragwürdige Versuch ist, einen dauerhaften Bund auf das flüchtigste aller Gefühle zu gründen: Glück.
Für diese paradoxe Hoffnung gibt es keinen passenderen Ort als Venedig, diese stadtgewordene Paradoxie schlechthin: ein Traumgebilde, das sich tagtäglich verjüngt, indem es sein Altern, sein Sterben, seinen Untergang zelebriert. Ein Sehnsuchtsort, dessen verlockende Schönheit das Gefühl des Bedrohlichen steigert, und umgekehrt, wo Eros und Thanatos sich vereinen, Liebe und Tod.
Natürlich ist das ein Klischee. Aber das Erschreckende an Klischees besteht in der Wirklichkeit, die sie permanent hervorbringt, so dass man sich kaum getraut, das Bestehende beim Namen zu nennen, um nicht des Klischees bezichtigt zu werden. Gunnar Decker wagt es, das tausendmal Beschriebene noch einmal zu beschreiben, neue, noch nicht abgenutzte Bilder für das Leben in dieser Stadt zu finden.
Die erste Voraussetzung dafür: es ist kein Reisebuch, keine Empfehlung von Orten, die man gesehen haben muss, um daheim mitzureden. Es sind Berichte, Notizen eines Verweilenden, der seit zehn Jahren jeweils einen Teil des Sommers in Venedig verbringt. Kein Durchreisender, kein Tourist, der in kürzester Zeit möglichst viele Sehenswürdigkeiten absolviert. Aber auch kein Einheimischer, nicht einmal ein Zugezogener, den die Nachbarn ins Vertrauen ziehen, ganz zu schweigen von den Palästen der Mächtigen, der Drahtzieher seit Generationen, die ihm verschlossen bleiben.
Das genau ist der Ort, von dem dieses 1001. Venedig-Buch kündet: weder Außen noch Innen, sondern der Punkt, die oszilierende Linie, in der Drinnen und Draußen verschmelzen – im Nachdenken des Wanderers, der innehält, um das Sichtbare mit dem Unsichtbaren zu vereinen, das Bestehende als etwas werdend Vergehendes durchsichtig zu machen.
Die zweite Voraussetzung für einen solchen Blick ist die eigene Herkunft: 1965 in Kühlungsborn geboren, hat Gunnar Decker Philosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin studiert, über protestantische Mystik bei Gottfried Arnold promoviert und u.a. Biografien über Gottfried Benn (2006), Vincent van Gogh (2009), Franz Fühmann (2009), Georg Heym (2011), Hermann Hesse (2012), Georg Trakl (2014) und jüngst Franz von Assisi (2016) geschrieben. Mit Nietzsche hat er sich das „zufällige“ Sehen antrainiert, das aus den Augenwinkeln heraus noch das Unscheinbarste wahrnimmt, um im Beiläufigen Wesentliches zu erkennen.
Dieter Goltzsche ist dem jüngeren Autor gerade darin verwandt. Geboren 1934 in Dresden hat er an der dortigen Hochschule für Bildende Künste bei Hans Theo Richter und Max Schwimmer studiert. Seit 1959 ist er freischaffend tätig. Ob mit Feder, Radiernadel oder Lithokreide, immer umkreist der genaue Beobachter spielerisch leicht Alltägliches und hält dabei unversehens Bleibendes fest, oft noch mit zarten Aquarellfarben zum Leuchten gebracht. Erst spät, 1992, wurde er für diese meisterhafte Leichtigkeit zum Professor für Malerei und Grafik an die Kunsthochschule Berlin-Weißensee berufen, wo er bis 2000 gelehrt hat. Autoren und Verlage freilich haben den Zeichner und Maler schon früh geschätzt. Und nicht wenige Leser sammeln die mehr als 60 Bücher, die Dieter Goltzsche illustriert hat. Mögen sie sich auch an den Seitenblicken auf Venedig und die offenbaren Geheimnisse dieser merkwürdigen Stadt erfreuen.

 

Pressestimmen

Belichtung ist ein Fotografen-Wort. Wenn man dieses Wort mit bewusster Befremdung ausspricht und es auf diese Texte anwendet, erschließt sich sein Sinn auf besondere Weise. Es ist ein Schöpfungsvorgang. Wie Bebauung, Bepflanzung, Benetzung, Belebung. Belichtung: Es wird da etwas mit einem Leuchten versehen, das es so bislang nicht gab. Wie heißt es so klassisch: Du wirst, was du siehst. Gunnar Decker schreibt über die gesamte schöne und hässliche, duftende und stinkende, erhebende und niederdrückende Menschenfülle dieser Stadt, aber: Der Autor behauptet inmitten des Trubels eine Einsamkeit, mit der er sich von jener Wirklichkeit isoliert, die er dann wieder einfängt. (...)
Venedig erscheint einmal mehr als jener »Schauhof der Geschichte« (Botho Strauß), dessen Stein, dessen Tagesfinsternisse und dessen Nachtschein den langen Atem der Jahrhunderte aufrufen. Der ein kühler Hauch ist über den Pflastern und Dächern, in den Kanälen und Gassen. Majestätische Weichzeichnung wechselt mit hartem Schattenspruch der Gemäuer. Und aus dem Dunst der Lagunen steigt immer wieder jene entfremdete Existenz, die keine Zeit – gebärde sie sich noch so neu – je mindern oder mildern konnte. Und so ist, folgen wir den Notizen, zu bilanzieren: Was immer sich der Blick an Schönheit antun darf, es schlägt ihn zugleich ins Unheimliche zurück. Und so steht der Autor mit beiden Füßen fest auf dem rutschigen Boden eines mysteriösen Niemandslandes – und weiß und vermittelt uns, dass dieser Ort überall ist.
(...) Der Feuilletonist entdeckt, aber er recherchiert nicht. Recherche kommt aus einem Untersuchungsdrang ins Fremde hinein, nicht aus Beobachtungsinteresse an sich selber. Decker betreibt Aussicht, die von der Innensicht kommt. Aus ihm redet der Wanderer, jener Streuner also, der das Glück genießt, auftragsfrei zu bleiben. Solcherart Schreibender schaut in die Welt, und zugleich ist er sich selber - die Welt. Weil er keinen Auftrag hat, kommt er der Welt so nahe. Die hat ja auch keinen.
Beigegeben sind acht Zeichnungen von Dieter Goltzsche. Kuppeln, Löwe, Treppen: schauen und spüren, dass Striche perlen können. Es gibt eine Monumentalität der luftigsten Geräusche und Momente in diesem Buch – und wenn man hindurchgeweht ist? Man weiß ein bisschen besser: Alles ist Leben, aber überall dazwischen oder daneben oder darüber steckt Sehnsucht. Jeder tut und erleidet etwas; und wie etwas geschieht, so vergeht es. Das macht melancholisch – ja: skeptisch. Vielleicht ist dies der Zugang zum Lebenskünstler: der im Augenblick lebt und das Empfinden der Gleichzeitigkeit hat von einem ersten und letzten Mal – gerade deshalb, weil er immer wieder den gewohnten Ort aufsucht.
Hans-Dieter Schütt, in: Neues Deutschland




 

 

 

 

 

 

 


Herstellung: poliTEXTbüro Update: 05.05.2020